Ungarn als Wohlfühlzone für Neonazis AnalyseBudapest Mel Rothirsch & Andreas Peham|25.07.24 Auch dieses Jahr versammelten sich im Februar hunderte Neonazis in Budapest, um den „Tag der Ehre“ zu feiern. An den, im Andenken an den „Ausbruch“ ungarischer und deutscher Soldaten aus dem Belagerungsring der Roten Armee organisierten Wanderungen in den Wäldern rund um Budapest nahmen rund 3400 Menschen teil, darunter prominente NS-Kader aus Deutschland und Österreich. Einige von ihnen waren erst Anfang Mai 2023 zur neonazistischen „European Fight Night“ nach Ungarn gereist. Andere Neonazis, mehrheitlich greise Holocaustleugner, fanden in Orbáns „illiberaler Demokratie“ – zumindest vorübergehend – Zuflucht vor behördlicher Verfolgung. Schließlich zieht es seit einiger Zeit Corona-„Maßnahmenkritiker“ und andere Verschwörungsgläubige zum völkischen Sehnsuchtsort. Die von der „Ungarischen Nationalen Front“ (MNA) 1997 […]
Gedanken zu Wahlkampftaktiken aus Frankreich AnalyseThüringenFrankreich Ines Schwerdtner (Jacobin)|24.07.24 Volksfront in Thüringen? Nicht wirklich Wie immer schauen wir neidisch auf die französische Linke und ihre Neue Volksfront. Aber wäre das was für die deutsche Linke? Die Franzosen können es einfach besser: Sie grillen auf Gleisen, während es einen Generalstreik gibt, in den Banlieues knallt es heftiger als in Hamburger Vororten und überhaupt ist in Frankreich mit Gelbwesten und allem einfach mehr Wumms drin. Sieht man sich die Grande Nation und ihre Revolution an, drängt sich der Eindruck auf, dass deutscher Protest und die deutsche Linke einfach ein bisschen öde sind. Zu einem absoluten Showdown kommt es jetzt, da Präsident Macron nach der Europawahl plötzlich Neuwahlen ausgerufen hat und die […]
Heran an die Massen Analysebundesweit Michael Henkes (jW)|23.07.24 Das Aushängeschild der Kommunistischen Partei. Vor 100 Jahren wurde der Rotfrontkämpferbund gegründet Mit der Niederschlagung des Hamburger Aufstands und der Absetzung der Arbeiterregierungen in Thüringen und Sachsen 1923 endete die Periode der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland. Politisch hatte die deutsche Arbeiterbewegung eine schwere Niederlage zu verkraften. Hoffnungen, die 1918/1919 von der deutschen Bourgeoisie und den rechten Sozialdemokraten abgewürgte Novemberrevolution bald zum Abschluss zu bringen, hatten sich vorerst zerschlagen. Die KPD wurde verboten (bis März 1924), zahlreiche Mitglieder waren verhaftet oder mussten in den Untergrund gehen. Es regierte der Zentrumspolitiker Wilhelm Marx in einer Koalition mit der Deutschen Volkspartei (DVP) und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) – allerdings bis Ende Februar […]
Linke Ästhetik als Vorlage für rechte Propaganda Analysebundesweit Sylke Wunderlich (jW)|21.07.24 Die Erfolge der NSDAP verdanken sich einer ausgefeilten Propagandastrategie. Dabei bedienten sich die Nazis vielfach bei ihren Gegnern Der deutsche Faschismus hat mit seiner Propaganda und durch die massenhafte Verbreitung und Wiederholung immer gleicher Bildtypen und Parolen das Bildgedächtnis des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt. Im Gegensatz zu heute, wo die sozialen Medien zum hauptsächlichen Ort der Meinungsäußerungen geworden sind, beherrschten zwischen 1933 und 1945 vornehmlich Plakate und Anschläge die politische Medienlandschaft. Das gesprochene Wort auf Veranstaltungen und Kundgebungen kam hinzu. Das Radio steckte in den Kinderschuhen, das Fernsehen war noch nicht entwickelt. Anhand zahlreich vorhandener Quellen in Archiven und Sammlungen kann ein fast lückenloses Bild der Propagandastrategien des »Dritten Reiches« […]
Die Eroberung der Fläche Analysebundesweit Tilo Giesbers (der rechte rand)|30.06.24 Die Kommunalwahlen im Mai und Juni waren für die AfD ein großer Erfolg, vor allem in Ostdeutschland. Aus antifaschistischer Perspektive ist es fünf nach zwölf. Die AfD ist im Osten nun vielerorts stärkste Kraft. Im Verbund mit anderen Rechtsaußenparteien und Wählergemeinschaften existieren oft sogar klare rechte Mehrheiten. Mehr noch: Insgesamt gibt es kaum noch Kommunen mit Mehrheiten links von Union, FDP und Co. Selbst in Leipzig oder Halle ist das Geschichte. Nur wenige Städte wie Potsdam oder Jena konnten sich eine potenziell progressive Mehrheit erhalten. Gewählt wurde in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland sowie in den Hamburger Bezirken. Die Feinanalyse offenbart: […]
„Ich nenne das Hyperpolitik“ Analysebundesweit Anton Jäger (Zeit)|16.06.24 Ob gegen rechts, gegen Polizeigewalt oder für das Klima: Warum blieben die großen politischen Proteste zuletzt so folgenlos? Der Historiker Anton Jäger hat eine Antwort. Interview: Julia Lorenz und Ann-Kristin Tlusty Kurz vor der Europawahl sind in vielen deutschen Städten Demonstrationen gegen rechts angekündigt. Die Zivilgesellschaft ist auf den Beinen, wieder einmal. Dabei scheint sie das im Grunde ständig zu sein: Alles ist heute hochpolitisch, sei es der Instagram-Auftritt oder die Wahl des richtigen Fortbewegungsmittels, und doch scheint sich wenig ernsthaft zu ändern in den Gesellschaften des Globalen Nordens. Warum? Dieser Frage geht der belgische Historiker Anton Jäger in seinem Buch „Hyperpolitik“ nach. Anton Jäger Anton Jäger, geboren 1994, wurde […]
Die Zeitschrift „N.S. Heute“ und der Stand des Neonazismus Analysebundesweit Antifa-Infoblatt|16.06.24 Seit 2017 erscheint im Dortmunder „Sturmzeichen Verlag“ das neonazistische Magazin „N.S. Heute“ (NSH). Herausgegeben wird die NSH vom Inhaber des Verlages, Sascha Krolzig, der zeitweise einer der beiden Bundesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“ war. Die Autor:innenschaft liest sich wie ein who is who der Neonaziszene. Sowohl Mitglieder der Parteien Die Rechte, NPD (jetzt „Die Heimat“) und „Der III. Weg“ sind vertreten, als auch ehemalige Mitglieder zahlreicher inzwischen verbotener Parteien und Organisationen. Das Magazin richtet sich ‚nach innen‘ – an eine aktivistische Leser:innenschaft. Die NSH erschien bisher i.d.R zweimonatlich, laut Eigenangabe mit einer Auflage von 1000 bis 1500 Exemplaren. Strategiedebatten in der NSH Entsprechend der adressierten Leser:innenschaft ist die NSH ein […]
2. Runde des Antifa Ost-Verfahrens AnalyseLeipzigbundesweit Leipziger Soligruppen|14.06.24 Nachfolgend dokumentieren wir ein Statement Leipziger Soligruppen zur zweiten Runden des Antifa Ost-Verfahrens. Der Text kann auch heruntergeladen und in Broschürenformat ausgedruckt und verteilt werden. Content-Note: Thematisierung sexualisierter Gewalt. Einleitung und Rückblick Heute vor einem Jahr, am 31. Mai 2023, endete der Antifa Ost-Prozess vor dem Oberlandesgericht Dresden nach fast 100 Prozesstagen bzw. nach über anderthalb Jahren. Vier Antifaschist*innen wurden in diesem zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Für Angeklagte, Angehörige und Solistrukturen war es eine aufreibende Zeit. Doch sind die Verurteilungen nicht das Ende, sondern eher der Anfang weiterer Prozesse. Gerade einmal vier von mindestens 15 Beschuldigten wurden, nun fast vier Jahre nach Einleiten des Verfahrens, verurteilt. Unklar ist, wie viele […]
AfD: Auf der Erfolgsspur im Feld der Arbeit Analyse Richard Detje|09.06.24 Der Erfolg der AfD ist durch die Massenproteste leicht abgeschwächt, aber nicht gebremst worden. Die Partei kann ihre politische Macht weiter aufbauen und gewinnt insbesondere im Feld der Arbeit an Deutungshoheit. Strategien gegen rechts müssen hier ansetzen. Vor gut einem Jahrzehnt endete der sogenannte deutsche »Sonderweg«. Während sich im (west-)europäischen Umland rechts vom konservativen Lager positionierte Parteien etablierten, waren entsprechende Versuche in Deutschland über temporäre Achtungserfolge lange Zeit nicht hinausgekommen. Das änderte sich 2013, als die AfD zunächst als »eurokritische« Partei gegründet wurde. Das europäische Währungssystem war in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008-2010 in schweres Fahrwasser geraten und die mit harten austeritätspolitischen Konditionen versehene Unterstützung Griechenlands hatte massive nationalchauvinistischen […]
Geschichtsrevisionismus und der Kampf für Remigration und straffreie Holocaustleugnung AnalysePassau Völkische Verbindungen Kappen|08.06.24 Thomas Girzick und die p.B! Normannia Winterberg zu Passau Keine Hinweise auf verfassungsfeindliche Bestrebungen? Die als „NPD-Burschenschaft“ bekannte Passauer Schülerverbindung „Normannia Winterberg“ wurde im Jahr 1906 im damaligen Winterberg im Böhmerwald (heute: Vimperk, Tschechische Republik) gegründet und nach Jahren der Inaktivität im Jahr 2007 in Passau durch lokale NPD-Politiker und -Mitglieder reaktiviert. Die Normannia begreift sich als „pflichtschlagende“, also Mensuren fechtende Burschenschaft für ausschließlich männliche Schüler mit Studienabsichten – und „Alte Herren“ der Korporation. Zweck der Verbindung ist nach eigener Angabe „die aktive Unterstützung der Volkstumsarbeit, Zusammenschluss der studierenden Jugend, körperliche und geistige Ertüchtigung der Bundesbrüder und gesellschaftliche Betätigung“. Die meist bereits im fortgeschrittenen Alter befindlichen ca. 15 Mitglieder der […]
Rechte Influencerinnen Analyse Marc Bebenroth (jW)|01.06.24 Sirenen des Patriarchats Ein Sachbuch von Eviane Leidig über die Funktion und Ideologieproduktion extrem rechter Influencerinnen Üblicherweise fokussieren sich die Analysen von Ideologieproduktion und Rekrutierungsmechanismen neurechter Bewegungen auf deren Vorstellungen von Männlichkeit, »Kameradschaft« und männlicher Selbstermächtigung. Aus dem Blick gerät dabei die andere Seite der »identitären« Medaille. Eviane Leidig hat sich deshalb intensiv mit der Rolle von Frauen in neurechten Bewegungen befasst. Ihr Forschungsgegenstand: die Social-Media-Auftritte rechter Influencerinnen, die sich gezielt an ein Mainstreampublikum richten. Für ihren im Herbst 2023 veröffentlichten Band verfolgte die Autorin einen Ansatz, den sie als »digitale Ethnographie« beschreibt. Im Zentrum stehen Lauren Southern, Lana Lokteff, Rebecca Hargraves, Robyn Riley, Ayla Stewart, Lacey Lynn, Lauren Chen […]
Messerattacke auf rassistischen Hetzer AnalyseMannheim Antifa-Info Redaktion|31.05.24 Offenbar gab es heute einen Messerangriff auf eine Kundgebung der rassistischen „Bürgerbewegung PAX Europa“. In vielen Medien werden „PAX Europa“ und der angeblich verletzte Redner Michael Stürzenberger als „Islam-kritisch“ beschrieben. Folglich liegt die Vermutung nahe, der Angreifer sei Islamist. Eine Einordnung ist fällig. Stürzenberger und „PAX Europa“ sind Rassist:innen die mit Faschist:innen gemeinsame Sache machen Stürzenberger, der sich selbst gerne als „Islamkritiker“ bezeichnet, ist ein rassistischer Ideologe und Vorreiter der identitären und kulturrassistischen Rechten. Stürzenberger war früher Bundesvorsitzender der extrem rechten Kleinstpartei „Die Freiheit“ und erklärte bei der Auflösung der Partei „Alle politischen Aufgaben“ seien „in den Händen der AfD bestens aufgehoben“. 2019 warb Stürzenberger für eine Schwarz-Blaue Koalition in […]