Prozessbeginn Antifa-Ost 2.0

Angeklagte erleben viel Solidarität zum Prozessauftakt »Solidaritätsbekundungen sind erlaubt – aber nur vor Verhandlungsbeginn«, vermeldet der Hausrechtsinhaber im Gerichtssaal, auf einem Stuhl stehend, kurz vor Beginn des Mammutverfahrens gegen sieben Antifaschist*innen in Dresden. Es handelt sich um den zweiten Prozess gegen die von Behörden und Medien als »Antifa-Ost« bezeichnete Gruppe. Im ersten Verfahren, das zweieinhalb Jahre dauerte, wurden Lina E. und drei Mitangeklagte 2023 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der neue Prozess ist nun auf 153 Verhandlungstage angesetzt – bis 2027. Das Verfahren beginnt im selben Saal wie bereits das erste Verfahren. Scharfe Einlasskontrollen, Panzerglas und große Polizeipräsenz prägen das Bild. Schon ab acht Uhr morgens befinden sich solidarische Aktivistinnen gemeinsam […]

Alle Zusammen gegen den Faschismus?!

Warum wir das für falsch halten und unsere Kritik an „Widersetzen“ Seit den Correctiv-Enthüllungen haben sich zwar keine dauerhaften Massenproteste gegen die AfD gehalten, doch die Empörung lässt sich zumindest zeitweise wiederbeleben – etwa rund um die AfD-Parteitage in Essen oder Riesa. Beliebt sind dabei möglichst breite Bündnisproteste, bei denen politische Unterschiede zugunsten des „gemeinsamen Feindes“ zurückgestellt werden. Wir begrüßen es, wenn Tausende gegen die AfD demonstrieren und wollen uns dem nicht entziehen. Dennoch halten wir das „taktische Schmieden möglichst breiter Bündnisse“ in der aktuellen Lage nicht für den richtigen Ansatz. Die Klasse im Mittelpunkt Zur Verhinderung faschistischer Macht-übernahme erklärt Dimitroff: Das Erste, was gemacht werden muss, womit man beginnen […]

Die Platte hat ´nen Sprung – oder die ewige Leier vom Antifa-Verbot

Im Artikel „Geheimplan für Deutschland – ein NachTrauerspiel“ legten wir bereits vor Kurzem dar, wie die gesellschaftlich breit getragenen Forderungen nach einem AfD-Verbot in Folge der Correctiv-Berichterstattung über das „Potsdamer Geheimtreffen“ von Rechtsextremen und Neonazis im November 2023 dank rechter Kampagnen innerhalb von zwei Jahren durch Antifa-Verbots-Forderungen ersetzt wurden. Nachdem die aufgedeckten massiv rassistischen „Remigrations“-Phantasien der extremen Rechten in Deutschland die größten jemals gezählt Demonstrationen gegen Rechts und im Frühjahr 2024 und 2025 auslösten, gingen wir der Frage nach, was von diesen Bekenntnissen für die konsequente Verteidigung der liberalen Demokratie und starke Brandmauern nach Rechts sowie von dem eingeforderten AfD-Parteiverbotsverfahren zwischenzeitlich übrig geblieben ist. Die vorläufige Bilanz der Konsequenzen aus […]

Kritik an „Widersetzen“

Unter dem Label, „Widersetzen“ fanden seit 2024 mehrere große Mobilisierungen gegen bundesweite AfD-Veranstaltungen statt, darunter die Parteitage in Essen und Riesa. An Blockadeaktionen und Demonstrationen beteiligten sich mehrere tausend Menschen, wofür unter anderem „Widersetzen“-Ortsgruppen Anreisen aus dem gesamten Bundesgebiet organisierten. Auch wir beteiligten uns an diesen Anreisen und sind auch im Kontext der Neugründung der Jugendorganisation der AfD in Gießen am 29.11. an der Organisation von Widersetzen Heidelberg“ beteiligt. Innerhalb der lokalen Vernetzung haben wir offen Kritik an „Widersetzen“ formuliert und uns dennoch dazu entschlossen, die Mobilisierung zu unterstützen. Jede größere Mobilisierung bringt innere Widersprüche mit sich. Wir sind der Meinung, dass wir mit diesen Widersprüchen offen umgehen sollten, statt […]

Thesenpapier: Roter Antifaschismus

Ohne das Offensichtliche vor aller Augen wiederholen zu wollen: Die Bedrohungslage durch den Faschismus hat sich in den letzten Jahren immens verschärft. Wir finden eine objektive Krisensituation der sterbenden unipolaren Weltordnung und eine besondere Krise des deutschen Imperialismus vor. In dieser Situation gewinnen extrem rechte Kräfte an Aufwind, während die herrschenden Staatsverwalter schon ohne Regierungsbeteiligung einer AfD eine härtere, autoritäre Gangart einlegen. Auch wenn ein offen terroristischer Faschismus noch keine bevorzugte Option ausreichend großer Kapitalfraktionen ist, ist diese langfristige Bedrohung real. Außerparlamentarische faschistische Organisierung und Gewalt nimmt rasant zu und trifft auf sehr viel weniger Gegenwehr, als in den 1980er oder 1990er Jahren. Soweit ein offensichtlicher Schluss: Antifaschismus ist heute […]

Schöner Wohnen ohne Burschis

Ein Text des antifaschistischen Semesterstarts „Organize“, einem Zusammenschluss verschiedener linker Gruppen aus Heidelberg, über Gründe, warum mann nicht bei einer Studentenverbindung einziehen sollte. Es ist Semesterstart – zig Studierende suchen wieder bezahlbaren Wohnraum in Heidelberg. Eine schier aussichtslose Aufgabe. In dieser Lage erscheinen die Anzeigen auf WG-Gesucht und Co. für Zimmer in Männer-WGs in schicken Villen für deutlich unterdurchschnittliche Mieten für einige Studenten als Lösung. Doch bei Einzug erhalten sie nicht nur eine Wohnung, sondern vor allem auch einen reaktionären „Lebensbund“. Burschenschaften und andere Studentenverbindungen nutzen die Wohnungsnot aktiv zur Anwerbung neuer „Verbindungsbrüder“ aus. Im folgenden Text nennen wir einige Gründe, warum du nicht bei ihnen einziehen solltest. Rassistisch, sexistisch, […]

Alle Strategien gegen die AfD sind gescheitert

Eine kritische Bilanz der bisherigen Versuche, die Rechtsaußen-Partei einzuhegen Kaum eine Kraft hat in der Geschichte der Bundesrepublik über so lange Zeit so viele Abwehrreflexe, so viel Ratlosigkeit, so viele Projektionen ausgelöst wie die AfD. Zugleich ist bisher keine Partei trotz aller Gegenreflexe derart stark geworden. Zwölf Jahre nach ihrer Gründung steht die AfD in bundesweiten Umfragen bei rund einem Viertel der Stimmen, teils sogar vor der Union. Wir haben es also mit einem Paradox zu tun: Nie wurde so viel über Gegenmittel gegen eine Partei nachgedacht, nie waren sie so wirkungslos. Seit 2013 ist ein ganzes Arsenal an Methoden im Umgang mit der AfD entstanden. Die einen bauen Brandmauern, […]

Nächste Runde der Rachejustiz

Budapest-Prozess gegen sieben Antifas Ab dem 4. November stehen sieben Aktivist*innen im Zusammenhang mit dem sogenannten „Budapest-Komplex“ und dem Antifa-Ost-Verfahren vor dem OLG Dresden. Die Anklage stützt sich auf konstruierte Vorwürfe, vage Indizien und politische Deutungsmuster – und markiert einen weiteren Höhepunkt staatlicher Repressionspolitik gegen antifaschistisches Engagement. In wenigen Wochen startet der zweite Prozess vor einem deutschen Gericht im sogenannten Budapest-Komplex: Ab dem 4. November 2025 findet die Hauptverhandlung gegen sieben Antifaschist*innen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden statt. Zusätzlich zu den Vorfällen in Budapest 2023 enthält die Anklageschrift noch Vorwürfe aus dem sogenannten Antifa-Ost-Komplex. Konkret geht es in der jetzigen Anklage in Dresden zum einen um den Budapest-Komplex, eine seit […]

Neonazi-Zuzüge von West nach Ost

Aus Westdeutschland zugezogene Neonazis versuchen, die ostdeutsche Neonazi-Szene zu vernetzen und zu mobilisieren. Auch neue Akteure, vor allem in Form der im Laufe des Jahres 2024 zahlreich entstandenen Jugendgruppen, sollen an die Neonazi-Strukturen gebunden werden. Neue Zuzüge und alte Bekannte Die Initalzündung für die aktuelle Umzugswelle westdeutscher Neonazis nach Ostdeutschland gab im Jahr 2020 die „Initiative Zusammenrücken in Mitteldeutschland“, die das Ziel verfolgte, Umzugswilligen Wohnorte, Jobs und politische Kontakte im Osten zu vermitteln. Einer der ersten Umsiedler war dabei der Dortmunder „Die Rechte“-Kader Michael Brück, den es ins sächsische Chemnitz zog. Im Interview mit den Machern von „Zusammenrücken“ erklärte Brück damals, Westdeutschland sei „im Endeffekt verloren“, dort sei mit legalen […]

Der Gescheiterte – Das Versprechen war kein Versprecher

Als Kandidat für den CDU-Parteivorsitz wollte Friedrich Merz einst die AfD-Wahlergebnisse halbieren. Seine Politik als Kanzler scheint den Zuspruch für die extrem rechte Partei zu verdoppeln. In den ersten 120 Regierungstagen brach der neue Bundeskanzler einige seiner Wahlkampfversprechen. Das Unions-Dogma »Schuldenbremse« hebelte der CDU-Kanzler nach der Bundestagswahl aus. Statt »No-Gos«, mit denen Friedrich Merz die rot-grün-gelbe Vorgängerregierung fast handlungsunfähig erscheinen ließ, erfolgt jetzt ein »Anything Goes«. Das Lockern der Schuldenbremse löste im konservativen Milieu äußerste Skepsis aus. Kritik wurde ebenso laut bei der später beginnenden »Mütterrente« und der ausbleibenden privaten Strompreissenkung. Wahlkampfversprechen sind eben nur Wahlkampfversprechen. Ein Versprechen, das Merz ebenfalls nicht einhielt, wurde in der Union aber nicht öffentlich […]

»Ein neuer Anfang ist notwendig«

Die Alliierten setzten nach dem Ende des Faschismus auf eine umfassende Entnazifizierung. Aber der Kalte Krieg blockierte eine tiefergehende Auseinandersetzung Den alliierten Siegermächten war klar, dass der Sieg über die nazistische Barbarei am 8. Mai 1945 nur dessen militärische Zerschlagung bedeutete. Für eine grundlegende Entnazifizierung war es notwendig, ehemalige Nazis sowie den Einfluss der Naziideologie auszuschalten und einen politischen Neuanfang zu starten. In den »politischen Grundsätzen für die Besetzung des Deutschen Reiches«, verabschiedet auf der Potsdamer Konferenz im Juli/August 1945, hatten sie sich dazu einen gemeinsamen Handlungsrahmen gegeben. Schon vor Kriegsende hatten die Alliierten gemeinsam beschlossen, Naziaktivisten und »Suspect Persons« aus dem öffentlichen Leben auszuschalten. Später folgten gemeinsame Festlegungen auf […]

Rechte Parteien normalisieren Grausamkeit

Die US-amerikanische Historikerin Dagmar Herzog zeigt in ihrem neuen Essay „Der neue faschistische Körper“, wie eng Rassismus, Pornografie und Behindertenfeindlichkeit historisch miteinander verbunden sind – und wie stark diese alten Muster in der Gegenwart wieder aufscheinen. Schon im Nationalsozialismus wurde Lust politisiert, einerseits durch die Förderung heterosexueller Kontakte unter »Ariern«, andererseits durch pornografisch aufgeladene Feindbilder von »gefährlichen« jüdischen Männern. Parallel dazu stand die Abwertung und Vernichtung von Menschen mit Behinderungen im Zentrum der eugenischen Politik. Im Gespräch mit Jacobin erläutert sie, was der »neue faschistische Körper« bedeutet und dass dieser keineswegs bloß ein historisches Konzept ist, sondern in beunruhigender Weise wieder gegenwärtig wird. Herzog macht deutlich, dass genau diese doppelte […]